Dinge & Lagern
Zwischen Ordnung & Unordnung - oder „Ordnung hält ja nur ein Dummer, das Genie überblickt das Chaos“
„Ja, die Ordnung! Das Dumme ist ja, wenn ich Ordnung halte, ich dann nichts wiederfinde. Im Chaos finde ich es immer! [...] Ja, die Ordnungsfanatiker, da gibt es welche, die meine Unordnung (Pause)“, die 65-jährige Rentnerin Frau Ulrich aus Hamburg bricht plötzlich mitten im Gespräch ab und verdeutlicht per Gestik, welche abschätzige Haltung mancher Besucher beispielsweise beim Betreten ihrer Wohnung ihr gegenüber einnimmt.
„Das ist hier wie ein Hotel eigentlich, das ist ein Hotel für Dinge, die vorübergehend einen anderen Platz brauchen“ so beschreibt nicht nur der 50-jährige Stuttgarter und Business Development Manager Herr Groß, sondern auch der Münchner SelfStorage-Mitarbeiter Herr Reiter die Firma MyPlace.
Ich entwickelte für die Viennafair 2011 ein Performanceprojekt in Bezug auf psychische und physische (Dis)Positionierungen innerhalb unterschiedlicher sozialer Systeme. Ich nahm auf dem Schoß von ca. 200 Personen Platz um mich mit Ihnen im Rahmen von Einzelperformances über diesen Themenkomplex mit ihnen auszutauschen.
Wohnen ist ein Prozess und entsteht aus einem komplexen Strom von Entscheidungen: Mit welchen Dingen umgeben wir uns? Was können wir uns leisten? Welche Bilder hängen wir an welche Wände? Was packen wir in Kisten und was in Schränke? Wie gehen wir mit dem gegebenen Raum um? Wer sind unsere Nachbarn? Welche Kompromisse machen wir mit den Mitbewohnern? Wann verändern wir etwas?
Wer kennt das nicht – beim Aufräumen oder Ausmisten des Schreibtischs, Kleiderschranks, Werkzeug-, Schuh-, Bücherregals, Kellers, Abstell-, Hobbyraumes, der Kommode,... finden sich immer wieder Dinge, die man jahrelang nicht mehr gebraucht, getragen, verwendet, gelesen oder nicht mal angesehen hat.
oder Die unterschiedlichen Orte der Einlagerung: Wo Dinge ihren Platz erhalten. Die uns umgebenden Dinge nehmen nicht nur in unserem Leben, auch in unserer Umwelt viel Raum ein, beziehungsweise Platz in Anspruch.
Da oft nicht genügend Raum zur Aufbewahrung von Dingen zur Verfügung steht, Wohnungen und Keller zu klein sind, beziehungsweise Keller und Dachböden fehlen, nutzen viele Menschen dafür externe Lagerstätten wie die Self Storage Lagerräume.
In der heutigen Welt rast alles nur so an uns vorbei. Tagtäglich sind wir mit einer Informationsflut konfrontiert, die eine Unmenge von Ereignissen, Veränderungen und Innovationen beinhaltet. Von einem Menschen alleine kann das alles gar nicht mehr erfasst oder begriffen werden. Die Geschwindigkeit der Produktion von immer Neuem, Besserem, Schnellerem ist überwältigend.
Es sei ein ganz „buntes Volk“, das bei der Self Storage Firma 'My Place' eine Lagerbox mietet: Von gewerblichen Kunden, die hier ihre Akten, Ordner oder Produkte unterstellen bis zu den privaten Kunden, die aufgrund von Trennung, Umzug, Zusammenzug, Auslandsaufenthalt oder Arbeitsplatzwechsel, Erbschaft, feuchter Keller oder Platzmangel, etc. Lagerraum benötigen, um zumindest Teile ihres Besitzes ein- beziehungsweise auszulagern.
Wir leben in der westlichen Gesellschaft in einer Überflussgesellschaft. Die meisten Haushalte der westlichen Welt besitzen mehrere tausend Dinge; Dinge, die gepflegt, benutzt und geordnet sein wollen.
Wird das Thema Selfstorage und der Bedarf nach zusätzlichem Platz angesprochen, stellt sich zumeist rasch ein Konsens hinsichtlich der „Verdächtigen“ ein – so etwas brauchen doch nur Sammler, „Messies“, alte, schrullige Leute, die sich von nichts trennen können oder Reiche, die sich viel zu viel kaufen.
Von Menschen, Dingen, Speicherräumen - das Prinzip "Self Storage" aus kulturwissenschaftlicher Sicht
Geht man durch die Gänge eines Selfstorage-Gebäudes hat man mitunter ein komisches Gefühl, ein gewisses Unbehagen, wie wenn man als Kind ein Glas Marmelade aus dem Keller holen musste, das man sich selber aber nicht wirklich eingestehen möchte. Die leeren Gänge, die durch Türen in einheitlichen Farben begrenzt sind, laden nicht wirklich zum Verweilen ein. Man kommt lediglich hierher um ein-, aus- oder umzulagern.
Hinter der Entscheidung, einen zusätzlichen Lagerraum anzumieten um persönliche Besitztümer auszulagern, steht ein komplexer Abwägungsprozess, der von den Faktoren ‘Individuen – Räume – Objekte‘ beeinflusst wird. Zuerst einmal kommt ein Individuum, oder eine Familie, ein Paar, ... zu dem Schluss, dass zusätzlicher Platzbedarf besteht.
Ja, klingt denglisch! Aber zum lakonisch knappen und zugleich offen vagen „placemaking“ gibt es im Deutschen eben kein Pendant, wenn es um die Verhandlung von „Platz“ geht. Und darum soll es hier gehen!
Platz, Platzmangel und die professionelle Schaffung dieses nicht näher zu definierenden Gutes bestimmen seit vielen Jahren meinen Arbeitsalltag. Im Jahre 1999 gründete ich mit zwei Geschäftspartnern das Unternehmen MyPlace-SelfStorage und seit über 12 Jahren stellen wir unseren Kunden in Österreich, Deutschland und der Schweiz „leeren Raum“ zur Verfügung.
Zeit scheint in der heutigen, hektischen Gesellschaft für viele nicht mehr das Einzige zu sein, an dem ein Mangel vorherrscht, sondern auch Platz wird knapp – man denke an Problematiken wie die Überbevölkerung. Und offenbar drängen sich die Menschen auch immer mehr auf wenig Platz zusammen.
L a g e r n ist speichern, einlagern, aufbewahren, ablegen, deponieren, horten, einkellern, magazinieren, schichten, stapeln, stauen, türmen, aber auch: pausieren, rasten, ruhen, sich niedersetzen, eine Ruhepause einlegen.
Versucht man eine Antwort darauf zu finden, warum eine steigende Nachfrage nach der Dienstleistung Selfstorage, im Sinne eines dauerhaft angemieteten Lagerraumes zusätzlich zur Wohnung, feststellbar ist, kommt man unweigerlich zu der Frage, warum denn überhaupt ein Mangel an Lagerraummöglichkeiten innerhalb von Wohnungen vorherrscht?