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„me perceive place“, 2010

16. April 2012
Bella Angora
Wohnen & Leben
Dinge & Lagern

Ich entwickelte für die Viennafair 2011 ein Performanceprojekt in Bezug auf psychische und physische (Dis)Positionierungen innerhalb unterschiedlicher sozialer Systeme. Ich nahm auf dem Schoß von ca. 200 Personen Platz um mich mit Ihnen im Rahmen von Einzelperformances über diesen Themenkomplex mit ihnen auszutauschen.

Dies auf unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen. Die visuelle Wahrnehmung wurde gespeist durch ein Video. Der Soundtrack war über ein Kopfhörer zu hören, der Gesang wurde life in das Ohr der jeweiligen Person gesungen und der Platz war sehr begrenzt… die Nähe groß.

Ausgangspunkt für das medienübergreifende Projekt "me perceive place" war meine eigene Empfindung einen weiteren Schritt in Richtung Platzfindung (in dieser Welt, Gesellschaft, innerhalb eines Kunstmarktes, in mir) zu unternehmen. Was bedeutet es einen Platz einzunehmen, Platz für sich zu schaffen, Verantwortung für den beanspruchten Platz zu übernehmen? Platz kann auf unterschiedliche Art und Weise eingenommen werden. Platz kann erobert werden im Kampf, kann aber auch friedlich an Anspruch genommen werden, Platz kann geteilt werden und Platz kann auch wieder verloren gehen. Zumeist kämpfen wir um Platz – vor allem innerhalb eines Marktes, aber auch in der Familie, im leben......wir tragen Muster in uns, die uns glauben lassen Platz ist nicht einfach da und kann verwendet werden. Ein Muster, dass uns ebenso glauben lässt, wir sind nicht genug, wir müssen was leisten, uns beweisen, erfolgreich sein...uns somit das Recht auf ein Sein in dieser Welt erarbeiten. Es geht immer darum, dass wir glauben was dafür tun zu müssen um irgendwelche Ansprüche stellen zu dürfen. Ein Muster, das über Jahrtausende evolutionsbedingt in uns aktiv ist.

Für mich stellt sich dabei die Frage inwieweit dieses System noch relevant ist. Wir alle kennen die derzeitigen Tendenzen, die Krisen, die zusammenbrechenden Märkte mit deren einhergehenden Problematiken. Die politischen Entwicklungen die nicht mehr Entwicklung genannt werden können. Wir drehen uns im Kreis, haben Angst loszulassen, halten weiter fest an Strukturen die sich mal bewahrheitet haben, aber inzwischen ihr Ablaufdatum erreicht haben. Neue Tendenzen zeigen sich verstärkt um in nächsten Moment von konservativen Strömungen rigoros erstickt zu werden.....eine klare Ausrichtung ist nicht wirklich zu erkennen.....wir sind verunsichert und suchen Auswege, gehen vor und zurück, von links nach rechts, der Boden unter uns scheint mehr und mehr wegzubrechen. wie kann in so einer Situation der eigene Platz gehalten werden, wo findet sich die Sicherheit und Geborgenheit eines Raumes in einer Welt in der immer weniger Platz zu sein scheint, in der wir dicht gedrängt aneinander stehen, uns (auf)reiben und uns gegenseitig auf die Füße treten?

Für mich war klar, dass ich diesen Platz erst in mir finden/schaffen muss. Auf einer psychologischen Ebene ansetzen, in mir die Entscheidung zu treffen voll und ganz in dieser Welt zu sein mit allen Konsequenzen. Mich einbringen zu wollen, die Einwilligung zur Interaktion mit meiner Umwelt zu geben, meinen Raum zu finden/zu beanspruchen und diesen gegebenenfalls mit anderen teilen. Einen Raum zu schaffen, in dem Austausch möglich wird, in dem Erfahrungen gemacht werden die einen speziellen Rahmen/Raum erfordern. Dabei ging es mir stark um Wahrnehmungsräume. Ich wollte meine eigene Wahrnehmung kanalisieren um dann mit anderen Wahrnehmungsräumen in Kontakt zu treten. Bei "me perceive place" war eines meiner Ziele innerhalb des von mir geschaffenen Raumes sämtliche Wahrnehmungsräume meines Gegenübers zu betreten/einzutreten und zu kommunizieren. Die visuelle, auditive, sowie die Körperwahrnehmung waren Gebiete die sich mir und meinem Gegenüber in einem kurzen Moment erschlossen und den Rahmen bildeten für eine Form des Austausches die in einer anderen Situation ziemlich sicher als zu übergriffig erlebt worden wäre.

Es war spannend und bereichernd zu erkennen was passiert, wenn zwei Wesen, die sich eigentlich völlig fremd sind, der Erfahrung des Momentes hingeben, bereit sind dafür für einen kurzen Augenblick ihre Türen zu öffnen, Eintritt zu gewähren und zuzulassen. Ich hatte Angst dabei. Aber gleichzeitig auch nach der ersten Performance die Erkenntnis, dass ich die Situation über die Stimme steuern konnte. Über die Stimme übertrug ich das Gefühl von "es ist ok" im weitesten Sinne.....konnte einen Boden der Gelassenheit schaffen und somit erleben, dass es möglich ist einen Platz einzunehmen ohne dafür kämpfen zu müssen. Die gegenseitige und notwendige "Einstimmung" erfolgte innerhalb von Millisekunden und war wirksam. Ich betrat die Räume von mir fremden Personen, diese Personen betraten meine Räume, wir teilten Raum und keiner hatte das Gefühl verdrängt/beengt oder nicht erwünscht zu sein und das obwohl der von mir geschaffene Raum bewusst sehr beengend wirkte. Es ermöglichte die Erfahrung, dass es vielleicht auch stark vom inneren Raum abhängt wie wir den äußeren Raum wahrnehmen.

Es ermöglichte mir, klar zu erkennen, dass ich mit allem was ich bin in dieser Welt sein kann/möchte. Es half mir dabei Ängste loszulassen, die ich sonst oft hatte, wenn ich fremde Räume betrat. Es half mir dabei zu erspüren, wie fragil die jeweiligen Wahrnehmungsräume von uns allen sind. Und es war eine schöne Erfahrung zu erkennen, dass auch im Austausch mit "fremden" ein gemeinsamer Raum geöffnet werden kann, der Geborgenheit und Wärme für die jeweiligen Personen bietet.

Das Projekt "me perceive place" ist auf meiner Website http://bellaangora.net zu finden, wurde erstmals im Rahmen der Viennafair 2011 gezeigt und inzwischen ein zweites Mal beim Medienkunstfestival "Paraflows" (Das weiße Haus, Wien, 2012).

Bella Angora